Ja klar, die Welt gehört den Großen. Aber was fehlt denen oft? Warum sind sie so
getrieben?

Ein Gespräch

Von Mirijam Günter
08.06.2025

Pfingsten ist ja das Fest, zu dem die Christenheit erwachsen geworden ist. Ab diesem
Fest mussten die Jünger selbst Verantwortung übernehmen. Erwachsen sein.
Aber was ist das eigentlich, erwachsen sein? Und wie ticken die Großen so? Fragen
wir mal bei den Experten nach: den Kindern.
Eine Literaturwerkstatt in einer Provinz. Die neun Kinder zwischen elf und zwölf
Jahren sprechen über Erwachsene. Längst sind die erwachsenen Ängste bei ihnen
angekommen. Alle kommen aus Familien, wo das Einzige, was es im Überfluss gibt,
der Mangel ist. Träumen, sagen sie, ist nicht schwer. Erwachsen werden schon.

„Corona hat die Erwachsenen alle behindert im Kopf gemacht!“

Die Kinder finden, dass alle Erwachsenen, egal wer, zu viel schreien, sich viel zu viel
aufregen, ständig schlechte Laune haben, immer gestresst sind, nie Zeit haben und
immer aufs Handy gucken. Und wie sind die großen Leute so?

„Ich glaube, dass sie eigentlich ganz traurig sind. Sie können nicht mehr so lachen
wie wir. Die müssen sich immer kontrollieren.“
„Erwachsen ist man, wenn man nicht mehr weiß, wie Wackelpudding
schmeckt.“

„Die wollen erwachsen und jugendlich sein. Deswegen ziehen sie Klamotten von Jugendlichen
an.“
„Und sie wollen so reden wie Jugendliche, aber sie wissen nicht, wie das
geht.“

„Und sie haben schlechte Laune, weil sie keine schönen Geschenke zum Geburtstag
bekommen.“
„Und auch nicht zu Weihnachten.“
„Sie bekommen immer nur Blumen oder Parfüm.“
„Damit kann man doch gar nicht spielen, da hätte ich auch schlechte Laune.“
„Aber als Erwachsener muss man sich immer bedanken und so tun, als würde man
sich über solche Geschenke freuen.“
„Ja, Erwachsene müssen sich immer benehmen und freundlich sein. Und
deswegen lassen sie ihre schlechte Laune auch immer an uns aus.“

„Vielleicht sollte ich meinem Vater zum Geburtstag was von meinem Playmobil
schenken?“
„Die dürfen auch keinen Quatsch machen.“
„Und wenn sie sagen, ich hab keinen Bock zu arbeiten, und der Chef hört das, fliegen
sie sofort raus.“
„Sie bekommen auch keinen Adventskalender mit Schokolade, außer sie
kaufen sich den selbst.“

„Und dann sind sie auch immer so genervt, weil sie ständig rechnen müssen, ob das
Geld reicht. Mein Vater hat gesagt, der Staat dankt es einem nicht, dass man Kinder
in die Welt setzt.“
„Meine Mutter hat gesagt, neue Turnschuhe gibt es nicht, dabei sind meine
alten Schuhe total kaputt.“

„Mein Vater hat gesagt, Butter gibt es diesen Monat nicht, ist zu teuer.“
„Die schämen sich ja auch, weil sie nicht so viel Geld haben.“
„Meine Mama ist die beste Mama der Welt, egal wie viel Geld meine Eltern haben.“
Da stimmen alle zu.
„Erwachsene sind sauer über sich selbst, weil sie nicht ihre große Liebe geheiratet
haben, und deswegen schauen sie immer aufs Handy, weil sie hoffen,
dass die große Liebe sich doch noch meldet.“

„Die sind ja auch immer gestresst von ihrem Job. Mein Vater wollte ja eigentlich
Fußballprofi werden.“
„Und meine Mama Model. Jetzt hockt sie an der Kasse vom Supermarkt.“
„Schon scheiße, wenn alle Träume platzen!“, räumt ein Junge ein.
„Die wollten ja auch nicht solche Erwachsene werden. Die wollten so ganz
chillig werden, hat mein Vater erzählt. Aber er hat früher nicht gewusst, wie
anstrengend es ist, erwachsen zu sein.“

Kann man den großen Leuten helfen?
„Die Erwachsenen sind so schlecht drauf, weil sie nicht mehr auf die Spielplätze
dürfen. Man sollte Spielplätze für Erwachsene bauen. Dort könnten
sie Sandburgen bauen und auf den Gerüsten herumtoben. Oder Verstecken
spielen. Wenn ich schlechte Laune habe und dann Verstecken spiele geht es
mir danach gut.“

„Die sind auch immer so streng. Wie ihre Klamotten. Die sollten mal so lustige Sache
tragen wie ich“, ruft ein Junge und zeigt auf sein Krokodil-T- Shirt.
„Oder wie ich“,
lacht ein Mädchen und zeigt auf ihre Schuhe, die in verschieden Farben blinken.
„Die Erwachsenen essen auch zu wenig Spaghetti!“
„Ja, die müssen immer aufs Gewicht achten und gesunde Sachen essen“, erklärt uns
ein Mädchen,
„meine Mutter zählt immer die Kalorien und nimmt trotzdem nicht ab,
dann hat sie noch schlechtere Laune.“

„Die sollen lieber mal Süßigkeiten essen – wie wir! So bunte Schnüre, ganz viel
Schokolade und Chips. Und so ganz saure Knisterkaugummis. Und Lollies, von denen
man eine blaue Zunge bekommt.“
„Oder jeden Tag Döner!“
„Oder Pizza!“
„Und dann gucken die sich auch immer so komische Videos oder Filme an,
voll langweilig.“

„Warum machen sie das?“, möchte ich wissen.
„Weil sie kein Spielzeug haben.“
„Vielleicht sollte man Spielzeug für Erwachsene erfinden.“
„Oder sie könnten sich doch auch draußen treffen und spielen.“
„Ja, die sollen mal was zusammen machen.“
„Also mein Vater hat ein Abo für ein Fitnessstudio, aber er sagt, für den Preis
geht er viel zu selten hin.“

„Meine Mama will immer joggen gehen, aber nach der Arbeit kann sie sich nicht
mehr aufraffen.“
„Alleine joggen ist doch auch voll langweilig!“
„Wieso gehen die nicht in den Park und spielen Fangen?“
„Oder Fußball?“
„Oder Volleyball?“
„Das kostet auch nichts.“
„Sie sagen, sie haben keine Zeit.“
„Dann schenken wir ihnen Zeit. Das ist das beste Geschenk für Erwachsene.“
„Mirijam, muss man eigentlich erwachsen werden?“

Mirijam Günter ist Autorin – und gläubig

Pfingsten heißt: erWAcHsEEn sein

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