EIN KOMMENTAR VON MIRIJAM GÜNTER, FOTOS UND BILDTEXTE VON GEORG VALERIUS
Der eine junge Mann springt ins Gebüsch, andere verstecken sich hinter Mauern, und dann gibt es noch die, die auf 21 Uhr pfeifen. Was so lustig klingt, betrifft einige Menschen besonders hart. Das Pflegepersonal, welches eben noch beklatscht wurde, darf nun zum Dank nach seiner Spätschicht nicht mehr spazieren gehen oder Freunde treffen. Es geht vielen Leute so.
Und dann gibt es noch jene, für die bedeutet die Ausgangssperre eine Vollkatastrophe. Die spezielle Ausgangssperre wurde von politisch Verantwortlichen im Kölner Rat beschlossen, von denen niemand aus der Armut kommt. Deshalb ergreift auch niemand der Entscheidungsträger*innen Partei für die Menschen, die sie am schlimmsten betrifft: die Ärmsten dieser Gesellschaft.
Obdachlose Menschen erzählen mir, dass es nach 21 Uhr für sie noch gefährlicher wird, da sich kaum Leute draußen aufhalten. Dass sie sich nicht trauen, ihren Schlafplatz unbeaufsichtigt zu lassen. Für Menschen, die in katastrophalen Wohnverhältnissen leben müssen, vom Bildungsbürgertum als sozialer Brennpunkt stigmatisiert, bedeutet die Ausgangssperre, dass sie noch länger auf engsten Raum mit vielen Leuten zu sammen leben müssen. Viele dieser Menschen leben in diesen beengten Verhältnissen, weil sie in Berei chen arbeiten, die so gering bezahlt werden, dass sie sich halt nur dort eine Wohnung leisten können. Von Wollen kann keine Rede sein.
Natürlich macht einem die Ausgangssperre nicht so viel aus, wenn man in einer Riesenwohnung oder einem Haus mit Garten lebt. Ich empfehle den Verantwortlichen, auch den Richtern, die mal eben die Eilanträge abgelehnt haben (weil die Ausgangssperren verhältnismäßig und zumutbar seien), für drei Monate ins Görlinger Zentrum oder nach Chorweiler zu ziehen, unter diesen Verhältnissen mit wenig Geld zu leben und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen zu sein. Nach diesem Zwischenaufenthalt unterhalten wir uns noch mal über die Ausgangssperre. Oder um endlich mal die Jugendlichen zu Wort kommen zu lassen, die sich heimlich in dunklen Parks oder an anderen gruseligen Orten treffen müssen: Die Erwachsenen, die das bestimmen, haben keine Ahnung von unserem Leben.